NOVUM – Mitarbeitendenmagazin

Am Zimmer der Zukunft tüfteln

Das «Patientenzimmer der Zukunft» wird als Denkfabrik des Kantonsspitals St.Gallen bezeichnet. Sämtliche Funktionen und Vernetzungen von medizintechnischen Geräten, Anlagen und Prozessen werden hier getestet und weiterentwickelt. Und dies alles unter realitätsnahen Bedingungen.

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Text: Marion Loher
Foto: Reto Martin

Auf den ersten Blick sieht das Zimmer wie ein normales Patientenzimmer aus: zwei Betten mit Kissen und Decken, verschiedene medizinische Geräte und Monitore, mehrere Steckdosen und Kabel, ein Tisch und zwei Stühle für die Besuchenden. Doch ganz so gewöhnlich ist es nicht. Das Zimmer befindet sich nicht auf irgendeiner Station des Kantonsspitals St.Gallen, sondern in einem Testlabor, das im Erdgeschoss des Hauses 18 untergebracht ist. Hier werden keine Patientinnen und Patienten gepflegt, sondern medizintechnische Geräte und technische Abläufe unter die Lupe genommen. Das Zimmer wird denn auch als «Patientenzimmer der Zukunft», kurz PdZ, bezeichnet. «Es bietet uns die Möglichkeit, sämtliche Funktionen oder technischen Vernetzungen zu testen und Experimente zu wagen, ohne dabei die Patientinnen und Patienten sowie das Personal zu belasten oder gar zu gefährden», sagt Pascal Baumgartner, Fachspezialist im Technology Management. Zusammen mit dem Team, zu dem auch System Engineer Ümit «Ueli» Kayhan gehört, hat er das PdZ entwickelt. Seit November 2022 ist es in Betrieb. «Bei der Umsetzung haben wir darauf geachtet, eine möglichst realitätsnahe Umgebung zu schaffen, die auch im Bereich Patientenrufsysteme die Anlage der bisherigen Gebäude sowie jene des Neubaus enthält», sagt Kayhan.

Zuerst der Test, dann der Feldversuch

«Es ist zu beobachten, dass Diagnose, Überwachung und Therapie immer mehr im Patientenzimmer stattfinden », sagt Baumgartner. Deshalb brauche es dort künftig mehr Technologie für die Diagnostik, mehr Überwachung und mehr Therapiemöglichkeiten. Welche das künftig sein könnten, wird nun im «Patientenzimmer der Zukunft», das die beiden auch als Denkfabrik bezeichnen, untersucht. Bis anhin wurden technische Innovationen auf dem Papier entwickelt und geplant. «Bisher war es uns kaum möglich, neue Geräte oder Technologien vor dem Feldversuch in einer realen Umgebung zu testen», sagt der Fachspezialist. «So zeigte sich manchmal erst, als das Personal oder der Patient schon involviert war, dass ein Zusammenspiel nicht wie geplant realisiert werden kann. Das war für alle Seiten belastend und frustrierend zugleich.»

Im PdZ können nun unter realitätsnahen Bedingungen und in vertrauter sowie technisch vergleichbarer Umgebung Prozesse nachgespielt, deren Optimierungsmöglichkeiten erprobt und die Fehlerquellen eliminiert werden. So wurde beispielsweise herausgefunden, dass das KSSG für die Implementierung von technischen Hilfsmitteln weit mehr Informationen und Beschreibungen zur Anbindung benötigt, als vom Lieferanten zur Verfügung gestellt wurden. Dies wiederum habe die Dauer der Implementierung und damit auch die Arbeit auf der Station wesentlich in die Länge gezogen.

Im Testlabor können zudem Workshops für medizinische Fachkräfte sowie auch Gerätedemonstrationen oder Treffen mit Lieferanten durchgeführt werden. Letzteres könnte es bald beim Thema Infusionstechnik geben – im Rahmen der Ausschreibung könnten potenzielle Lieferanten mit ihrem Produkt ins PdZ eingeladen werden. «Hier sehen wir dann genau, ob es in unser System implementiert werden kann», sagt Baumgartner. Eine andere Möglichkeit ist, dass Produkte bei ihrer Entwicklung aufgrund der Testresultate im PdZ explizit auf die Bedürfnisse des KSSG zugeschnitten werden.

Keine zusätzliche Arbeit

Allerdings wird es auch mit dem «Patientenzimmer der Zukunft» Feldversuche vor einer definitiven Einführung geben. «Unser Ziel ist es, die technischen Lösungen so zu skalieren, dass es für die Anwenderinnen und Anwender bis zu 95 Prozent passt und wir während oder nach dem Pilotversuch nur noch Feinjustierungen machen müssen», sagt Kayhan. Dem medizinischen Fachpersonal soll mit den neuen Technologien aber keine zusätzliche Arbeit aufgebürdet werden. «Im Gegenteil», sagt Baumgartner. «Mit gezielten Massnahmen und einer effizienten technischen Vernetzung wollen wir die Mitarbeitenden entlasten, damit sie sich noch stärker auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten konzentrieren können.»

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Die Intensivstationen rücken im Haus 07A näher zusammen

Im 1. Obergeschoss des Hauses 07A wird ein Grossteil der Klinik für Intensivmedizin verortet: die medizinische Intensivstation (MIPS), die neurovaskuläre Intensivstation (NIPS) sowie die EEG Monitor Unit (EMU). Mit dem Bau des Hauses 07B folgt dann auf demselben Stockwerk die chirurgische Intensivstation (CHIPS), wodurch eine einzige Klinik für Intensivmedizin entstehen wird.

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Text: Rahel Fritschi
Visualisierung Stützpunkt MIPS H07A: Virtual Design Unit GmbH, Zürich

Betritt man den Bereich der zukünftigen Intensivstationen im Neubau Haus 07A, scheint der rege Patientenbetrieb noch weit entfernt. Beim Blick auf den Zeitplan jedoch wird schnell klar, dass die örtliche Zusammenführung der Intensivstationen nicht mehr fern ist. Ende April 2024 wird der Patientenbetrieb im Haus 07A aufgenommen. Es ist dies der Zeitpunkt, an dem die Mitarbeitenden der MIPS, NIPS und EMU effektiv von der Nähe zu den neuen «Nachbarn» profitieren werden.

Die «Nachbarschaftsbeziehungen» als Vorteil

Die räumliche Nähe zu den Herzkatheterlabors sowie zu den Endoskopieräumen der Gastroenterologie und Pneumologie (alle zusammengefasst im Interventionellen Zentrum) bringt Synergien und auch effizientere und patientenzentriertere Abläufe. Wege, die bisher lang waren, werden kürzer. Mit der Inbetriebnahme des Notfallzentrums 2029 wirkt dieser Nachbarschaftsvorteil noch stärker, da dann der Weg der Notfallpatientinnen und -patienten in die Intensivstation oder die konsiliarische Beurteilung der Notfallpatientinnen und -patienten durch eine Intensivistin oder einen Intensivisten um ein Vielfaches kürzer wird. Auch die Anordnung der Radiologie im 1. Untergeschoss von Haus 07A und dann der Interventionellen Radiologie im Haus 07B bringt einen grossen Mehrwert.

Den IPS-Betrieb im Haus 07A planen

Im Betriebsprojekt «Klinik für Intensivmedizin Haus 07A inkl. EMU» hat das Projektteam unter Leitung von Joachim Näf und Vertretern aus Ärzteschaft, Pflege, DIB und IT den Betrieb der Intensivstationen im Haus 07A geplant. Seitens Klinik für Intensivmedizin sowie Pflege war ein mehrköpfiges Kernteam für die Planungsarbeiten zuständig. Viele langjährige Mitarbeitende haben gemeinsam eruiert, wie der Betrieb von MIPS, NIPS und EMU am optimalsten ablaufen soll. Wichtig war dabei der Einbezug aller Berufsgruppen. Das Betriebskonzept wurde Ende März 2023 vom Programmausschuss freigegeben.

Die Schlüsselressource Mitarbeitende

Das Team um Dr. Gian-Reto Kleger, Klinikleiter der Klinik für Intensivmedizin, sieht die Ressource Mensch als wichtigstes Gut für den Betrieb der Intensiv-Betten im Haus 07A. Auch in der Klinik für Intensivmedizin ist der Fachkräftemangel ein grosses Thema, obschon die Rekrutierungssituation erstmals seit dem Ende der Coronapandemie etwas besser aussieht. Die Mitarbeitenden im Neubau Haus 07A profitieren dann auch vom Austausch unter den verschiedenen Bereichen sowie von der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die örtlich nahe liegende Gastronomie im 3. Obergeschoss von Haus 07A wird es den Mitarbeitenden zudem ermöglichen, die Verpflegungspausen erstmals ausserhalb der Intensivstationen geniessen zu können.

Die geometrische Gebäudeform als Herausforderung

Herausfordernd ist indes die nicht mehr halbrunde, sondern längliche Form der Intensivstationen. Im Bestandsbau profitierten die Kaderärztinnen und -ärzte sowie die Schichtleitung der Pflege vom guten Überblick aus dem zentralen Stützpunkt. Im Neubau Haus 07A müssen die Prozesse angepasst werden, um die gegebene schlauchartige Form und die damit angeordneten Patientenzimmer von den neu drei Stützpunkten aus im Blick zu haben.

Ausblick auf Schulung und Training

Die neuen Prozesse und Abläufe werden dann in vielen Schulungs- und Trainingsstunden gemeinsam geübt – auch unter Einbezug der neuen Nachbarn. Ab Q1/2024 wird simuliert und getestet, sodass dem erfolgreichen Start des Patientenbetriebs Ende April 2024 nichts mehr im Wege steht. Bis dahin hat sich hoffentlich die Situation rund um den Pflegepersonalmangel weiter entschärft.

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Worin sehen Sie den grössten Vorteil in der Verortung der Intensivstationen im Haus 07A?

In den neuen Nachbarschaftsverhältnissen – für uns im Tagesbetrieb wichtige Bereiche liegen im Haus 07A sehr nahe. Dadurch können wir viele Laufmeter einsparen und profitieren somit von optimierten Abläufen.

Dr. Gian-Reto Kleger, Klinikleiter Klinik für Intensivmedizin

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Worin liegen die grössten Veränderungen für die NIPS im Neubau Haus 07A?

Platz, um die jährlich über 1000 Hirnschlagpatientinnen und -patienten des Stroke Center adäquat betreuen zu können. Die Nähe zu den Intensivstationen und dann im Haus 07B zum Notfallzentrum wird personalintensive Transporte deutlich verkürzen und damit auch die Patientensicherheit erhöhen.

PD Dr. Georg Kägi, Co-Leiter NIPS

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Welche Vorteile bringt die räumliche Anordnung der EMU-Einheit den Patientinnen und Patienten?

Durch die Verortung der EMU im IPS-Bereich im Haus 07A wird die Einsatzzeit für Erste Hilfe im Falle eines epileptischen Anfalls verkürzt. Damit wird auch das Risiko eines plötzlichen, unerwarteten Todesfalls im Rahmen eines Anfalls minimiert. Durch die Neugestaltung der EMU und die dadurch verkürzte Einsatzzeit bei einem epileptischen Anfall profitieren die Patientinnen und Patienten auch von einer besseren klinischen Einordnung der Anfälle, da wesentliche neuropsychologische Funktionen noch während des Anfalls getestet werden können.

Dr. Dominik Zieglgänsberger, Oberarzt mbF, Klinik für Neurologie

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Wovon profitieren Sie in der Pflege in den neu angeordneten Intensivstationen im H07A am meisten?

Allem voran freuen wir uns, dass sich die neurovaskuläre Intensivstation nun räumlich anschliessen wird. Durch diese Nähe werden die gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Nutzung von Ressourcen vermehrt möglich sein. Die Teams können voneinander lernen und zusammenwachsen.

Regine Büdel, Stv. Leiterin Pflege, Klinik für Intensivmedizin

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Imagefilm Neubau Haus 07A

Fragen Sie sich auch, wie der Neubau H07A aussehen wird, wenn er ganz fertiggestellt ist? Wie es sich anfühlen wird, wenn Sie durch das Gebäude gehen oder die ersten Patientinnen und Patienten empfangen? Im Video erleben Sie die Verwandlung des Rohbaus in das fertige Gebäude.

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Geriatrische Klinik neu unter dem Dach des Kantonsspitals St.Gallen

Der Bürgerrat der Ortsbürgergemeinde St.Gallen und die Verantwortlichen des KSSG haben rückwirkend auf den 1. Januar 2023 eine partnerschaftliche Lösung zugunsten einer integrierten Versorgung erzielt.

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Nachdem die Bürgerversammlung Anfang Dezember zugestimmt hat, dass die Ortsbürgergemeinde keine eigene Geriatrische Klinik mehr betreibt, hat die Ortsbürgergemeinde sämtliche Aktien der Geriatrischen Klinik St.Gallen AG (GK AG) dem Kantonsspital St.Gallen verkauft.

Die bisherige Klinikleitung und das eingespielte Team der Mitarbeitenden der GK AG werden den Betrieb der Geriatrischen Klinik in den bestehenden Räumen nahtlos weiterführen. Das Personal der GK AG bleibt mit den bestehenden Arbeitsverträgen und Anstellungsbedingungen in der GK AG angestellt. Damit konnte für die integrierte altersmedizinische Versorgung von Stadt und Region St.Gallen eine optimale Lösung gefunden werden.

Die intensive Zusammenarbeit zwischen der Geriatrie und den medizinischen Disziplinen des Kantonsspitals St.Gallen wird damit wesentlich erleichtert. Zwischen den zwei Akutspitälern sollen gezielt betriebliche Synergien genutzt und administrative Hürden abgebaut werden. Der so entstehende Gesundheitscampus zwischen der Ortsbürgergemeinde, der GK AG und dem KSSG wird in naher Zukunft weiter ausgebaut: Die Klinikgruppe Valens (KLV) wird zusätzlich diverse Rehabilitationsdienstleistungen in den Räumlichkeiten der GK AG anbieten. So entstehen integrierte und innovative Versorgungsmodelle und die geriatrische Gesundheitsversorgung in der Ostschweiz ist sichergestellt.

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