NOVUM – Mitarbeitendenmagazin

Ein Tag mit Markus Diethelm

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Text: Susanne Thuma
Foto: Reto Martin

Um 8.45 Uhr marschiert Markus Diethelm pünktlich wie die Eisenbahn ins Besprechungszimmer im Haus 38. «Eine Stunde haben wir für unser Gespräch zur Verfügung », erklärt er. Anschliessend müsse er im Berufskleiderpool unter dem Haus 03 einen Arztkittel fassen, damit er für seine Tätigkeit als Senior Teacher adäquat gekleidet sei. Was ein Senior Teacher ist, erläutert Markus Diethelm mit folgenden Worten: «Als Senior Teacher nehme ich während den Sprechstunden von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten den Status eines Mentors ein. In der Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Kommunikation mit der Patientin beziehungsweise dem Patienten sehr wichtig. Leider wird dieses Thema durch Zahlen, Laborresultate und Finanzen immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Deshalb sitze ich während einer gewissen Zeit in den Sprechstunden, beobachte und gebe konstruktives Feedback.»

Nach fast 34 Jahren am Kantonsspital St.Gallen verabschiedete sich Markus Diethelm im vergangenen Herbst in die wohlverdiente Pension. Nur war das süsse Nichtstun gar nicht nach dem Gusto des agilen 66-Jährigen. Als einer von fünf Senior Teachers leistet er heute während rund drei Stunden pro Woche Support im Thema Kommunikation mit Patientinnen und Patienten. Von seiner langjährigen Erfahrung als Leitender Arzt und Stv. Chefarzt in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin/Hausarztmedizin und Notfallmedizin profitieren Assistenzärztinnen und Assistenzärzte am Kantonsspital St.Gallen.

Wie angekündigt, eilt Markus Diethelm um 9.45 Uhr zum Berufskleiderpool, pünktlich um 10.00 Uhr sitzt er gemeinsam mit einem Teilnehmer des Senior Teaching und dessen Patientin in der Sprechstunde. Dabei achtet Markus Diethelm auf die verbale und nonverbale Kommunikation, lässt Eindrücke auf sich wirken: Wie erfolgt zum Beispiel die Begrüssung, hat sich der Assistenzarzt vorgestellt, wie wird das Laborresultat oder der Befund im Röntgenbild erklärt? Ebenso prüft er ein Zuviel an Fremdwörtern, welche die Patientin eventuell nicht versteht. Weiter erklärt er: «Spannend ist es, wenn die Patientin oder der Patient emotional wird.» Viele hätten Angst vor solchen Situationen, wenn Dämme brechen und starke Emotionen zum Vorschein kommen. Achselzuckend meint Markus Diethelm: «Aber das gehört eben zu unserem Beruf.»

Über Mittag folgt während 30 bis 45 Minuten ein Austausch mit dem Assistenzarzt. Dieser berichtet vorab vom eigenen Eindruck über die vergangene Sprechstunde. Hat er sich wohlgefühlt? Gab es Stolpersteine? Dann schildert Markus Diethelm seine Beobachtungen, erteilt Lob, präsentiert aber auch Verbesserungsvorschläge. Am besten gefällt ihm dabei, dass er seine Erfahrung an die nächste Generation weitergeben kann. «Das ist ein tolles Gefühl», schwärmt er. Markus Diethelm betont, dass Seniorteaching jedoch kein Muss ist. Es basiert für die Teilnehmenden auf Freiwilligkeit. Das Feedback erfolgt unter vier Augen und ist streng vertraulich. So gibt es auch keine Berichterstattung an eine vorgesetzte Stelle.

Nach dem Mittag hat Markus Diethelm private Pläne. Er trifft sich mit seiner Tochter Christa auf einen kurzen Kaffee im «Al Terzo». Christa arbeitet seit einigen Jahren als Physiotherapeutin auf der Orthopädie/ Traumatologie im Haus 03. «Mit der Leidenschaft für die Medizin habe ich sie angesteckt», schmunzelt er. Die gemeinsame Vorliebe beschreibe sie jeweils treffend: «Papi, du interessierst dich für den Motor, ich mich fürs Chassis.»

Gegen 14.00 Uhr geht Markus Diethelm nach Hause, seine Frau erwartet ihn. «Ich will kochen lernen, meine Frau bringt es mir bei.» Laut ihm sollte man(n) mehr können als nur ein 3-Minuten-Ei sieden. Mittlerweile kredenzt er bereits Rühreier. «Das tut uns gut, dieses kreative Beisammensein. Schlussendlich bin ich von einem über 100%-Arbeitspensum runter auf ein paar wenige Stunden. Da müssen wir uns zu Hause erst wieder ein wenig finden», erklärt er augenzwinkernd und macht sich auf den Heimweg.

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Markus Diethelm
66 Jahre
Senior Teacher und Kochlehrling

Aus dem Unternehmen Kurz & knapp