NOVUM – Mitarbeitendenmagazin

Zwölf Menschen, fünf Kontinente,
ein
 gemeinsames Ziel

Sie kamen wegen der Liebe, wegen des Jobs, wegen Unruhen in ihrem Heimatland. Eines haben die zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch gemeinsam: Sie alle möchten zumindest für eine Weile hier am Kantonsspital St.Gallen bleiben.

Texte: Martina Kaiser
Fotos: Reto Martin

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42 Jahre, USA, Koordinatorin Gynäkologisches Krebszentrum

Mary Helen «Ellie» Schmidt

Eine Amerikanerin, die ihren Mann aus Norddeutschland während ihres Auslandstudiums in Schottland kennenlernte und später mit ihm wegen seines Berufs von Deutschland in die Ostschweiz zog – Mary Helen Schmidt, genannt Ellie, hat schon in vielen Ländern gelebt, einige Kulturen erlebt. Was ihr grundsätzlich und besonders hier am KSSG gefalle, sei, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem ein hohes Mass an Professionalität und Wertschätzung für interdisziplinäre Arbeit gefragt sei. Seit acht Jahren lebt und arbeitet sie nun in St. Gallen, erst als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Onkologie, aktuell als Koordinatorin im Gynäkologischen Krebszentrum. Unterschiede zu ihrer Heimat – aufgewachsen ist sie in Little Rock im Bundesstaat Arkansas – gebe es einige. Spontan fällt ihr natürlich ein: «In der Schweiz ist die Krankenversicherung obligatorisch, in den USA nicht. ‹Uninsured› zu sein ist meiner Meinung nach eine enorme Belastung für die Betroffenen und das gesamte System.»

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56 Jahre, Indien, Fachspezialist Support, Informatik Infektiologie / Spitalhygiene

Chandra Salian

Das Kantonsspital St. Gallen ist wie eine zweite Heimat für ihn. Seit 34 Jahren arbeitet Chandra Salian am KSSG – erst im Patiententransport, dann in der internen Post, später am Informationsschalter im Haus 04. Seit 2008 ist er für die Informatik in der Infektiologie / Spitalhygiene zuständig. Das entsprechende Wissen hat er sich selbst angeeignet. Der 56-Jährige kommt ursprünglich aus Mumbai, reiste 1985 mit einem Besuchervisum in die Schweiz. Seine Tante Amy Dias hatte bis zur Pensionierung am KSSG gearbeitet und Chandra Salian nach dessen Einbürgerung die Stelle im Spital vermittelt. «Hier habe ich die Chance, mich zu entwickeln und auch ein Stück weit selbst zu finden, wofür ich sehr dankbar bin», sagt er. «Ich mag es, hier mit verschiedenen Menschen zu arbeiten und verschiedene Kulturen zu erleben.» Und: «Die Inder können sich noch etwas von der Pünktlichkeit und der Ruhe der Schweizer abschauen, im Gegenzug könnten einige indische Weisheiten für Schweizer einen Denkanstoss geben – so sagte Mahatma Gandhi beispielsweise: ‹Du und ich, wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.›»

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60 JAHRE, ECUADOR, LEITER AUFWACHRAUM, KLINIK FÜR ANÄSTHESIOLOGIE, INTENSIV-, RETTUNGS- UND SCHMERZMEDIZIN

Danilo Coka

Seine Geschichte liest sich wie ein Roman: Während eines Ausflugs im Dschungel Ecuadors lernte Danilo Coka eine Frau kennen, verliebte sich in sie, hielt Kontakt, bis er sie 1987 in Mörschwil zum ersten Mal besuchte – und sich entschied zu bleiben. Auch seine Stelle am KSSG verdankte er ihr, sie arbeitete damals auf der Zentralen Notfallaufnahme. Danilo Coka fing im Patiententransport an. Irgendwann sei der Leiter der Pflege Chirurgie auf ihn zugekommen und habe gesagt: «Du musst weitermachen, Danilo, du kannst etwas.» Und das tat er, besuchte die Vorschule für Deutsch und später die damalige Krankenschwesternschule im Stephanshorn. Er arbeitete in der allgemeinen Krankenpflege in der Chirurgie, der Orthopädie, der Gastroenterologie und dann auf der CHIPS, wo er auch die Zusatzausbildung Intensivpflege absolvierte. Seit 2000 ist er für die Anästhesiologie tätig. Hier schätzt er sowohl den Patientenkontakt als auch die Zusammenarbeit mit seinen Kolleginnen und Kollegen, vor allem der Nachwuchs liegt ihm am Herzen. «Ich darf junge Leute aus der Pflege formieren, ihnen etwas beibringen. Das ist ein Geschenk.» Er sei mittlerweile eher schweizerisch geprägt. Die beiden Länder, das seien Welten. So sei zum Beispiel Körperkontakt in Ecuador auch bei Menschen, die sich nicht kennen, völlig normal. «Hier geht das nicht.» Er habe einen Grundsatz: Er mache, was er mache, solange er Spass daran habe. Am KSSG möchte er pensioniert werden.

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36 Jahre, Deutschland, Gärtner

Marco Brauer

Deutlich weniger hektisch sei es hier in der Ostschweiz, sagt Marco Brauer. Der 36-jährige Gärtner aus Deutschland mag die Ruhe, seine Arbeit im Grünen. Der Umzug von seiner Heimatstadt Berlin in das beschauliche St. Gallen fiel ihm deshalb leicht. Auch die Sprache war kein Hindernis: «Da ich Verwandte in der Schweiz habe, machte ich schon in meiner Jugend öfters die Bekanntschaft mit der Schweiz und deren Sprache.» Nur an die Ladenöffnungszeiten, daran musste er sich erst gewöhnen. «Da kam es dann schon mal vor, dass es ein Abendessen von der Tankstelle gab.» Zehn Jahre ist Marco Brauer nun hier in St. Gallen, auf die Stelle am KSSG aufmerksam wurde er durch Verwandte. Dann ging alles sehr schnell: der Anruf am Freitag, die Fahrt mit dem Auto in die Schweiz am Montag, das Probearbeiten – und schliesslich folgte das unbefristete Arbeitsverhältnis. Und wenn es nach Marco Brauer ginge, kann dies auch gerne so bleiben.

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32 Jahre, Saudi-Arabien, Assistenzärztin Klinik für Allgemeine Innere Medizin / Hausarztmedizin

Hala Alrasheed

Den Ausdruck «Sonne tanken» lernte sie hier in St. Gallen kennen. In ihrem Heimatland sei es anders, da freuten sich die Leute, wenn es regne, gingen spazieren, wenn es bewölkt sei, sagt Hala Alrasheed. Die Halb-Ägypterin, Halb-Saudi-Arabierin wuchs in Saudi-Arabien auf, reiste für ihr Medizinstudium in die Slowakei, lernte da ihren Mann kennen. Die beiden zogen in sein Heimatland Italien, später entschieden sie sich für St. Gallen. Seit Mai 2021 arbeitet die 32-Jährige am KSSG. Hier fühle sie sich wohl. Und: «Hier auf der Inneren Medizin erlebe ich eine eher flache Hierarchie, das ist sehr angenehm.» Herausfordernd finde sie manchmal die Begegnung mit Patientinnen und Patienten aus arabischen Ländern: «Die Kommunikation auf Arabisch ist alleine schon sprachlich und kulturell sehr emotional und ausdrucksvoll.» Und die Gespräche würden nicht einfacher, wenn Themen wie Krankheit, Kriegstrauma und gemeinsame nostalgische Erlebnisse im Heimatland hinzukämen. «Dann wechsle ich jeweils das Thema, spreche über schöne Dinge, das Wetter, das ‹Sonne tanken›. Das lockert die Unterhaltung immer auf.»

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57 Jahre, Brasilien, Pflegeassistentin Neonatologie

Orneida Epprecht

Es war die Liebe, welche Orneida Epprecht damals, 1987, von Fortaleza in Brasilien nach Uttwil in die Schweiz führte. Sie erlernte die Sprache, absolvierte die Ausbildung zur Pflegehilfe. 2014 wurde sie auf ein Stelleninserat des KSSG aufmerksam: Pflegeassistentin für die Neonatologie gesucht. Die Bewerbung war schnell geschrieben, schon lange hegte Orneida Epprecht den Wunsch, genau wie ihre Mutter im Spital zu arbeiten. Sie bekam die Stelle und ist heute noch glücklich darüber. Der Arbeitsalltag sei sehr vielseitig und abwechslungsreich: «Ich begegne vielen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Auch schätze ich die enge Zusammenarbeit mit dem Pflegeteam und vor allem den intensiven Kontakt zu Eltern mit ihren Frühgeborenen: Der Moment, wenn ich ein Baby auf dem Arm halten und singen kann, ist der schönste für mich.» Gibt es auch alltägliche Herausforderungen? «Mein farbenfrohes brasilianisches Temperament mit dem genauen, sorgfältigen und fokussierten Arbeitsstil meiner Schweizer Kolleginnen zu verbinden.»

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27 Jahre, Estland, Doktorandin, Medizinisches Forschungszentrum

Mette Purde

Es ist okay, nicht an der Uni zu studieren und stattdessen eine Lehre zu absolvieren. Und es ist okay, Teilzeit zu arbeiten. Diese zwei Dinge schätzt Mette Purde an der Schweiz. «Hier sind alle Berufswege gleichwertig; man wird nicht für dumm oder unbedeutend gehalten, wenn man einen anderen Weg wählt.» Die gebürtige Estländerin hat studiert, erst in Tallinn, dann in der Schweiz. Wegen ihres Freundes, dem sie 2016 in seine Heimat Liechtenstein folgte. Nach dem Master an der ETH Zürich fand sie «die perfekte Doktoratsstelle» am KSSG. Mette Purde fühlt sich wohl hier, «die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind umgänglich und hilfsbereit.» Und jetzt, nach sechs Jahren, sei auch das «Schwizerdütsch» kein Problem mehr. Besonders angetan hat es ihr die hauseigene Konditorei: «Jeden Tag werden wir hier mit Leckereien verwöhnt.» In Tallinn gebe es schon Cafés mit eigenen Konditoreien, «ein solch hohes Niveau an Patisserie und Essen generell hätte ich allerdings nirgends in einer Mensa erwartet.»

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61 Jahre, Türkei, Mitarbeiter Spezial- und Büroreinigung

Kenan Akman

Er melkte Kühe, fällte Bäume, backte Pizze, half in einem Lebensmittelladen aus, arbeitete im Sicherheitsdienst, später als Hauswart und schliesslich in der Reinigung – Kenan Akman hat immer das gemacht, was gerade nötig war. 40 Jahre lebt er nun in der Schweiz, nach dem Militärputsch in der Türkei flüchtete er zu seinem Cousin nach Zürich, einige Jahre später zog er nach
St. Gallen. Dieses Jahr feierte er am Kantonsspital St. Gallen sein 25-jähriges Jubiläum. Dadurch und durch seine Arbeit in verschiedenen Bereichen und auch an unterschiedlichen Standorten kennt er viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KSSG. «Das ist schön, dieses Gefühl, eine grosse Familie.» Weg will er nicht mehr – nicht vom KSSG, nicht in ein anderes Land. «Die Schweiz bietet so viel, hier gibt es Freiheit, eine Demokratie. Und hier ist meine Familie, meine Frau und meine Kinder. Wenn ich meine Verwandten in der Türkei besuche, bin ich ein Fremder in meinem eigenen Heimatland.»

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59 Jahre, Schweiz, Versorgungsassistent, Supply Chain Management

Andreas Biner

Er ist Schweizer – und dennoch manchmal etwas fremd hier in der Ostschweiz. Wegen seines selbst für Deutschschweizer nicht immer einfach verständlichen Dialekts. Und wegen der eigenen Regeln, die in seiner Heimat herrschen. Das Wallis ist ein Tal, umringt von Bergen: «Da gehst du rein, gehst raus – und fertig.» Andreas Biner hat die Bergkette 1994 durchbrochen und ist die knapp 270 Kilometer von Naters im Kanton Wallis bis nach Eggersriet gereist. Weil sich seine Frau hier wohl fühlt, hier aufgewachsen ist. Und weil ihm die ausgeschriebene Stelle als Pöstler am Kantonsspital St. Gallen sehr zusagte. In diesem Jahr wurde die interne Post am KSSG als Projekt organisiert und der 59-Jährige der Gruppe Support & Koordination zugeteilt. «Meine grösste Herausforderung ist, nach 27 Jahren loszulassen und die neue Tätigkeit als Springer gut zu meistern.» Was ihm sehr gefalle hier seien der Umgang miteinander und die vielfältige Landschaft. «Es hat einfach alles: die Berge, den See, die Nähe zu Deutschland und Österreich.» Er könne sich nicht vorstellen, irgendwo anders als im Wallis oder in der Ostschweiz zu leben. Der grösste Unterschied zwischen den beiden Regionen? «Das Wetter. So extreme Unterschiede wie hier habe ich noch nirgends erlebt: Heute kann es heiss und sonnig und morgen nur noch 18 Grad sein und regnen.»

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37 Jahre, Taiwan, Postdoktorand, Medizinisches Forschungszentrum

Dr. Hung-Wei Cheng

Es war die Aussicht auf den Zugang zu Spitzentechnologie, die für Hung-Wei Cheng schliesslich den Ausschlag gab, Taiwan 2012 zu verlassen und in die Schweiz auszuwandern. Er bekam die Doktorandenstelle an der ETH / Universität Zürich – und Burkhard Ludewig als Doktorvater. Dank ihm führte ihn sein Weg schliesslich zum Medizinischen Forschungszentrum am Kantonsspital St. Gallen. «Das MFZ bietet ein gutes Umfeld für die medizinische Forschung. Ausserdem ist die Tatsache, klinische Studien als empirische Basis für die akademische Forschung verwenden zu können, sehr wertvoll», meint Hung-Wei Cheng. Die Arbeitsabläufe seien gut strukturiert, auch die Arbeitsbedingungen seien im Vergleich zu Taiwan fortschrittlich, insbesondere die Arbeitszeiten und das Gehalt. Hung-Wei Cheng fühlt sich wohl im Team seines Doktorvaters, seine Arbeitskolleginnen und -kollegen seien freundlich und hilfsbereit.» Seine grösste Challenge? «Die Sprache. Schweizerdeutsch zu lernen und zu verstehen ist doch sehr schwierig.»

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52 JAHRE, BENIN, STV. RESSORTLEITER ANÄSTHESIEPFLEGE

Daniel Kora

Daniel Kora feiert doppelt. Der 1. August ist sowohl der Nationalfeiertag der Schweiz als auch derjenige seines Heimatlandes Benin – eines der kleinsten Länder Afrikas. Dort, in einem Missionsspital, lernte Daniel Kora während seiner Lehre als Krankenpfleger 1991 seine Frau aus der Schweiz kennen. Ihre Liebe mussten sie vor den Missionaren geheim halten. Lange Zeit ging das gut, dann flog ihr Geheimnis auf. Sie reiste zurück in die Ostschweiz, er folgte ihr kurze Zeit später. Nach zwei Jahren waren seine Deutschkenntnisse so weit fortgeschritten, dass er sich die Pflegeausbildung in der Schweiz zutraute und beim KSSG anklopfte. Seinen Arbeitsalltag erlebe er als sehr abwechslungsreich und spannend: «Es macht mich glücklich, wenn ich merke, dass andere Vertrauen in mich haben und ich komplexe Patientinnen und Patienten übernehmen darf.» Es gebe aber auch traurige Momente, Momente, die ihn zum Nachdenken brächten. «Es sind Situationen, in denen mir mein Gegenüber das Gefühl gibt, ich hätte hier nichts zu suchen. Das gleiche ich dann emotional wieder mit Begegnungen mit Menschen aus, die mein Lächeln erwidern und nach einem Arbeitstag auch mal sagen: ‹wir waren ein Team und haben gut zusammengearbeitet.›» Kulturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und Benin gebe es viele, und es sei gleichwohl Privileg und Belastung, die beiden unterschiedlichen Welten zu kennen.

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61 Jahre, Niederlande, Leiterin Ergo- und Physiotherapie

Brigitte Bakker

Die Niederländerin wollte nach ihrem Physiotherapiestudium Erfahrungen im Ausland sammeln und landete schliesslich auf Empfehlung ihrer Eltern in der Schweiz. Das Kantonsspital St. Gallen hat sie während ihrer Tätigkeit als Studiengangleiterin an der Fachhochschule in Landquart kennengelernt. Damals war sie alle zwei Monate einen Tag am KSSG, um die praktischen Prüfungen bei den Studierenden durchzuführen. 2013 erhielt Brigitte Bakker dann die Chance, die Leitung des Zentrums für Ergo- und Physiotherapie hier am KSSG zu übernehmen. Den individuellen und geschäftlichen Austausch mit den Mitarbeitenden empfindet sie als freundlich und offen – «im Grunde genommen genau gleich, wie ich es in Holland erlebt habe», sagt sie. Obwohl landschaftlich unterschiedlich, seien die Schweizer und die Holländer eigentlich auf einer Wellenlänge, schon alleine deshalb, weil sich die Nationen in gesellschaftlichen und kulturellen Auffassungen naheständen. «Und als Ersatz für das Meer in Holland bade ich nun halt einfach in den Schweizer Bergseen.»

Zwischen zwei Welten Vielfalt macht den Unterschied