NOVUM – Mitarbeitendenmagazin

Wenn der Roboter das Essen bringt

Ein aktuelles Organisationsentwicklungsprojekt ist das fahrerlose Transportsystem. Mit diesem wird die gesamte Material- und Essensversorgung am Kantonsspital St.Gallen ab 2023 automatisch gesteuert. Programmleiter Stefan Müller erklärt, wie das System funktioniert und was sich dabei für die Mitarbeitenden ändert.

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Text: Marion Loher
Fotos: Bodo Rüedi

Elektroschlepper ziehen die Transportwagen mit Essen, medizinischem Verbrauchsmaterial, sterilen Instrumenten oder frischer Wäsche in einem «Routenzug » wie beim Gepäcktransport am Flughafen durch die unterirdischen Kanäle des Kantonsspitals St.Gallen. Beim entsprechenden Haus angekommen, übernehmen die Versorgungsassistentinnen und -assistenten die Wagen und bringen Arzneimittel, medizinische Verbrauchsmaterialien und Wäsche mit dem Lift an die gewünschte Adresse. Die Mitarbeitenden nehmen den leeren Transportwagen oder füllen ihn mit Material, das nicht mehr gebraucht wird, und kehren zurück in den Untergrund. So kennt man den Materialtransport des Spitals von jeher. Doch das manuelle System gehört bald der Vergangenheit an. Ab nächstem Jahr wird es schrittweise durch das fahrerlose Transportsystem (FTS) abgelöst.

35 Roboter im Kanal unterwegs

Programmleiter Stefan Müller und sein Team aus den Bereichen Informatik, Bau, Technik und Nutzer haben zusammen mit Mitarbeitenden aus Logistik, Versorgungsassistenz, Roomservice, Facility Management und Pflege in den vergangenen drei Jahren intensiv an der Einführung des FTS gearbeitet. Künftig werden 35 automatisch gesteuerte Fahrzeuge den Material- und Essenstransport übernehmen. Dabei geht es um den gesamten Prozess – von der Bereitstellung des Materials im Zentrallager bis hin zur Ablieferung der Menüs auf den Stockwerken – und es wird jedes Haus, welches an das Kanalsystem angebunden ist, inklusive Neubau erschlossen. «Wir wollen das gesamte Potenzial ausschöpfen und mit dem FTS möglichst nahe an den Verbrauchspunkt kommen, um etwa Wartezeiten am Lift zu vermeiden oder Laufzeiten von Mitarbeitenden zu verkürzen», sagt Programmleiter Stefan Müller. Die Übergabe der Ware im Bestand findet hauptsächlich im Lift statt, im Neubau sind entsprechende Übergabestellen auf den Etagen geplant. Gesteuert wird das Ganze über das Leitsystem des FTS. Im Bestand werden die Mitarbeitenden über eine App informiert, wann das Material mit dem Lift auf ihrem Stockwerk ankommt. Daraufhin können sie die Ware in Empfang nehmen und diese elektronisch über einen QR-Code quittieren. Damit steuern die Mitarbeitenden gleichzeitig den Lift, der sich wieder auf den Weg machen kann, den nächsten Transportwagen abzuholen.

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Spezielles Sicherheitssystem

Die Implementierung eines solchen Systems ist gerade bei bestehenden Gebäuden herausfordernd. Es gibt schmale Gänge, steile Transportwege und Orte im Kanalsystem, wo es viel Publikumsverkehr hat. Letzterer ist denn auch eine der grösseren Herausforderungen für das Projektteam. «FTS werden so weit wie möglich vom manuellen Bereich getrennt », sagt Müller. «Das ist bei uns aber aus baulichen Gründen nicht überall möglich.» Damit die Sicherheit gerade im Kanal, wo auch Patiententransporte den Weg kreuzen, gewährleistet werden kann, sind die automatisch gesteuerten Fahrzeuge mit speziell entwickelten Sensoren und Warnsignalen ausgerüstet.

Ein Beispiel ist der Personenschutzscanner, der etwa zehn Zentimeter ab Boden den Bereich rund um das Fahrzeug ableuchtet. Nähert sich auf der Strecke ein Gefährt oder eine Person, erkennt er dies und drosselt sein Tempo, um Gefahrensituationen zu vermeiden oder sie zu umfahren. Zusätzlich sind die Roboter mit einem 3D-Scanner ausgestattet, was in der FTS-Welt eine Neuheit ist. Damit können Menschen, schmale Gegenstände wie Krücken oder andere Hindernisse auch über der Zehn-Zentimeter-Marke erkannt werden. Wichtig sei aber, so Müller, dass der manuelle und der automatische Verkehr aufeinander Rücksicht nehmen und die Regeln eingehalten werden. Künftig werde es nämlich auch Wege geben, die nur in eine Richtung befahrbar sind. In den Testläufen, die vor drei Jahren durchgeführt wurden, habe dies sehr gut funktioniert.

Effizient, effektiv und bedarfsgerecht

«Das FTS ist aber nicht nur ein Fahrzeug, das von A nach B fährt. Wir können mit ihm auch den Betrieb optimieren», sagt Müller. Dazu gehören eine effiziente und effektive Transportlogistik, Lieferzuverlässigkeit und höhere Arbeitssicherheit. Ein grosser Vorteil des fahrerlosen Transportsystems ist auch die bedarfsgerechte Ver- und Entsorgung. Bisher gab es einen fixen Plan, wann was geliefert oder abgeholt werden muss. Neu wird der Transport automatisch gesteuert. Für die Mitarbeitenden ändert sich vor allem der Tourenplan. So wird künftig beispielsweise die Wäsche vornehmlich am Abend auf die Etagen gebracht. Ausserdem werden die Mitarbeitenden mehr über die mobile Lösung und mit dem QR-Code arbeiten. «Auch eine Reinigungskraft wird künftig in der Lage sein, über das elektronische System beispielsweise einen leeren Transportwagen für die Schmutzwäsche anzufordern.»

Die fahrenden Roboter werden ab Anfang Januar 2023 als Erstes im Haus 06 eingesetzt, danach Schritt für Schritt in allen Gebäuden des Kantonsspitals St.Gallen. Der Abschluss des Projekts ist mit der Inbetriebnahme des Hauses 07B für 2028 vorgesehen. «Das FTS ist eine tiefgreifende Veränderung und lässt sich nicht von heute auf morgen implementieren», sagt Müller. «Mit dem etappenweisen Vorgehen haben wir die Möglichkeit, die Learnings zeitnah umzusetzen.»

Die Nomadin der Station 0141 «Wir stehen am Anfang einer Weiterentwicklung»